DIE ANDERE HÄLFTE
[LA OTRA MITAD]

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Wir, die Tiere

haben die magische Gabe, unsere Existenz zu fuehlen.

   Steine und Eisen, Knollen und Früchte kennen nicht das Streicheln der Luft und die Sanftheit des Wassers; sie spüren nicht die Freude einer Berührung.

   Aber für uns Tiere kann das Leben schön sein.



Unser Fest naht ?

   Die Girlanden sind bereit, so wie die Messer, die Käfige, die Knüppel, die Geschenke. Bald werden wir mehr als sonst Naehe und Gemeinsamkeit geniessen. Bald werden mehr als sonst die Schläge herunterprasseln. Und still werden Wünsche nach "Frieden auf Erden" und "Viel Glück" auf einem Meer von Blut dahinsegeln.

   Viele Tiere werden beim großen Schmaus dabei sein : die lebenden am Tisch, und die toten in der Mitte. Denn die Welt, so sagt man, besteht aus zwei Hälften : die eine herrscht, die andere kommt um.



Frohe Weihnachten? Für wen ?

   Es wird Tannenbäume geben, freundliche Weihnachtsmänner, Jesuskrippen mit einem Rind und einem kleinen Kind. Das Rind wird weder die Tanne noch das Stroh riechen. Es wird röchelnd zusammenbrechen, das Leben wird ihn durch seine durchgeschnittene Kehle verlassen und danach werden die Weihnachtsmänner sich seine Leiche mit den kleinen Kindern teilen.



Für wen das glückliche neue Jahr ?

   Bald kommt Silvesternacht, die Nacht der Geniesser mit ihren Friedhofsbäuchen.

   Ferkel, denen Schwanz und Zähne amputiert werden ; Kälber, die man auf ihren Knien zur letzen Reise zerrt ; all die Verstümmelten, Eingesperrten, Erstickten, Gestopften, durch Strom Hingerichteten , Ausgeweideten - wozu sich wehren? Die sanften Stimmen der Feinschmecker übertönen ja doch Eure Schreie. Sie reden über die Herkunft von Weinen und karierten Tischdecken, sie loben mit Gesang die guten schwieligen Hände (die Zangen, Fallen und Netze halten) und das Talent, die Geschmacksnerven durch das Kochen von Leichen anzuregen. Sprich wie sie oder sei ein Spielverderber. Ein gutes Familienmitglied nimmt eben teil an der...






Los patos y las palomas
[Les canards et les pigeons]
y los cerdos y los corderos
[et les porcs et les agneaux]
ponen sus gotas de sangre
[mettent leurs gouttes de sang]
debajo de las multiplicaciones;
[sous les multiplications ;]
y los terribles alaridos de las vacas estrujadas
[et les terribles hurlements des vaches étripées]
llenan de dolor el valle
[emplissent de douleur la vallée]
donde el Hudson se emborracha con aceite.
[où l'Hudson s'enivre d'huile]
Yo denuncio a toda la gente
[Je dénonce tous ceux]
que ignora la otra mitad,
[qui ignorent l'autre moitié]
la mitad irredimible
[la moitié non rachetable]
que levanta sus montes de cemento
[qui élève ses montagnes de ciment]
donde laten los corazones
[où battent les cœurs]
de los animalitos que se olvidan
[des humbles animaux qu'on oublie]
[…]
Yo denuncio la conjura
[Je dénonce la conjuration]
de estas desiertas oficinas
[de ces officines désertes]
que no radian las agonías,
[qui n'annoncent pas à la radio les agonies,]
que borran los programas de la selva,
[qui effacent les programmes de la forêt]
y me ofrezco a ser comido
[et je m'offre pour être mangé]
por las vacas estrujadas
[par les vaches étripées]
cuando sus gritos llenan el valle
[quand leurs cris emplissent la vallée]
donde el Hudson se emborracha con aceite.
[où l'Hudson s'enivre d'huile]

Federico GARCIA LORCA

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



...blutbesudelten Gemeinschaft !

   Weihnachts- oder Neujahrsfeier ohne Truthahn, ohne Stopfleber, ohne Lachs, ohne Hummer, ohne Austern, ohne Wild, ohne Entenbraten, ohne Langusten, ohne Würste, ohne Kaviar... da würde das Wichtigste fehlen ! Es gehört sich nicht, Gäste einzuladen und ihnen kein Fleisch zu servieren! Immerhin wollen wir unsere Besucher verwöhnen, ihnen unseren Respekt erweisen und uns selbst von unserer besten Seite zeigen !

   Welch makabres Geschenk! Um Dich zu ehren, opfere ich Dir unzählige Tiere. Du bist mir ebenbürtig und daher wie ich würdig, das Leben der Angehörigen der anderen Hälfte niedermähen zu dürfen.

   In dieser Zeit von Grossherzigkeit werden auch die Armen nicht vergessen. Auch sie dürfen bei pflichtbewusst organisierten Weihnachts- und Neujahrsessen ihre Scheibe Stopfleber essen. Anschliessend werden sie wieder auf die kalten Strassen geschickt.



Und ich ? Wo stehe ich ?

   Ich habe keine Federn, keinen Pelz, keine Schuppen und an meinem Gesicht sieht man, dass ich zur Rasse der Schlachter gehöre. Ich wollte ihnen gefallen, damit sie mich in ihrer Mitte aufnehmen. Ich habe so getan, als würde ich die Fabel von den beiden Hälfte glauben. Ich konnte genau wie sie den Geschmack von Tod geniessen und über köstliche Kadaver lachen. Aber jetzt will ich einen so hohen Preis nicht mehr zahlen.

   Ich würde gern von ihnen geliebt werden und sie lieben, aber ich sehe nun klar, wie kaltblütig sie die andere Hälfte, zu der ich auch gehöre, zermalmen. Nie wieder will ich auf der Seite der Henker sein. Sollte es am Tag des grossen Festessens wieder nur zwei Parteien geben, wähle ich die andere.

   Reisst mich lebend auf, wie die andere Störe. Verfettet mir die Leber, wie den anderen Enten. Reisst mir die Hoden heraus, wie den anderen Kapaunen. Zerstückelt mich, wie die anderen Frösche. Kocht mich, wie die anderen Hummer. Lasst Eure weissen Zähne mein Fleisch zerfetzen wie das der anderen Truthähne, Kälber, Rehe und Lachse.

   Gibt es denn wirklich keine andere Wahl? Muss man sich wirklich entweder zu den Gefolterten stellen, die einsam ihrem Ende entgegen röcheln, oder sich zu den Mördern gesellen, die mit lächelndem Mund, in denen ihnen das Wasser schon zusammenläuft, die Schlachthöfe finanzieren ?

   Nein, nein, nein, nein !


La tierra toda el sol y el mar
[La terre entière, le soleil et la mer]
Son para aquellos que han sabido,
[Sont pour ceux qui ont su]
Sentarse sobre los demàs.
[Écraser les autres.]
Me lo decía mi abuelito,
[Mon grand-père me le disait]
Me lo decía mi papà
[Mon papa me le disait]
Me lo dijeron muchas veces,
[Ils me l'ont dit beaucoup de fois]
Y lo he olvidado siempre màs.
[Et moi je l'ai oublié toujours plus]

José Agustin GOYTISOLO

Ich klage an !

   Ich klage das gemeine und feige Verhalten an, mit dem Menschen andere Wesen verachten und dadurch ihre eigene Wichtigkeit unterstreichen wollen. Ich klage eine auf Ausgrenzung gebaute Gemeinschaft an. Es muss doch Freundschaft möglich sein, die nicht gleichzeitig an Verbrechen mitschuldig werden lässt. Vergessen wir doch diesen schrecklichen Mythos einer aus zwei Hälften bestehenden Welt, der schon zu so viel Elend geführt hat.

   Ich will, dass freundliche Weihnachtsmänner wirklich existieren. Ich will Frieden auf Erden. Ich will Brüderlichkeit. Ich will ein Leben in Würde und Lebensfreude für verspielte Ferkel, verliebte Enten und plaudernde Menschen.

   Für uns alle kann das Leben schöner werden. Lasst es nun endlich beginnen,

DAS FEST OHNE OPFER !